Geschichte erinnern:
Mit einer Dauer von nur rund 30 Jahren (1884 – 1914/1918)
hatte die deutsche Kolonialherrschaft für vergleichsweise kurze Zeit Bestand.
Historiker nennen dies oft eine ,,kurze koloniale Episode‘‘ und meinen damit
auch, dass diese Zeit heute in der Erinnerung kaum noch präsent ist. Die Spuren
– und Narben – dieser Zeit sind jedoch in den ehemaligen Kolonien, aber auch in
Deutschland, heute noch zu finden. Diese ,,Spuren‘‘ in Deutschland sind in der
Regel Denkmäler – in einem engeren Sinn mit der ,,Hauptfunktion des zweckvollen Erinnerns‘‘ und einem weiteren Sinn als
,,Zeugnisse der kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft‘‘(Joachim
Zeller)
Es sind also nicht nur ,,Denkmäler‘‘ im Wortsinne – mehr
oder weniger bildhafte Monumente – oder aber auch Namen von Plätzen und Straßen,
die gezielt eine Erinnerungsfunktion wahrnehmen, also Erinnerung stiften
sollen. Vielmehr können im erweiterten Sinne auch erhalten gebliebene Bauwerke
aus der Zeit des Imperialismus, wie das eindrucksvolle ,,Afrikahaus‘‘ der
Reederei Woermann in Hamburg, oder Redensarten, Lieder und Werbefiguren ein
Träger von Erinnerung sein: Sie sind Objekte
oder Orte, mit denen sich für die Nachwelt eine Erinnerung verbindet.
Bei der Betrachtung von Denkmälern jeder Art sind vier
Bedeutungsebenen zu klären – je nach Art des Objekts kann sich dies schwierig
gestalten, doch grundsätzlich lassen sich auch Denkmäler im weitesten Sinne mit
diesem Raster beschreiben:
·
Die Grundbedeutung
– also die Frage, worum es sich offensichtlich bei dem Objekt handelt, und die
Beschreibung dessen, was zu sehen ist (Motive, Inschriften usw.)
·
Die übertragene
Bedeutung – also der symbolische Sinn oder die Bedeutung eines symbolischen
Gegenstandes, aber auch die Gefühle, die das Objekt beim Betrachter auslösen
soll.
·
Die im und durch das Objekt artikulierte Geschichte, also die Frage nach dem, welche Geschichte
das Objekt darstellt.
·
Der Umgang
mit Geschichte und die allgemeinen
Geschichtsvorstellungen, wie sie im Objekt zum Ausdruck kommen, also die Einstellung
zur Geschichte, wie sie durch das Denkmal vermittelt werden soll.
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Das Kriegdenkmal ,,Deutsch-Ostafrika/Schutztruppe'' entstand in der Zeit des Nationalsozialismus und wurde 2003 im so genannten ,,Tranania-Park'' in Hamburg-Jenfeld wieder aufgestellt. |
Nicht immer erschließen sich die Spuren der Zeit des
Imperialismus auf den ersten Blick, und oft haben sie sich beinahe unbemerkt
über jahzehnte erhalten. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Bilder und Deutungen
einerseits in sich tragen, anderseits beim Betrachter dessen individuelle
interpretation entstehen lassen, die sich mit diesem Raster erfassen lässt.
Die größere Zahl der Denkmäler im engeren Wortsinn, also
zunächst Monumente des ,,zweckvollen Erinners‘‘, aber auch Straßenwidmungen
stammt aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg: Der Friedensvertrag von
Versailles (28. Juni 1919) hatte in Artikel 119 verfügt:
,,Deutschland verzichtet zugunsten der alliierten und assoziierten Haupmächte auf alle seine Rechte und Ansprüche bezüglich seiner überseeischen Besitzungen.‘‘
Umso intensiver waren die Bemühungen, die Erinnerung and die verlorenen Kolonien
nicht nur zu bewahren, sondern auch durch die Form ihrer Darstellung und die
Auswahal dessen, was erinnert werden sollte, zu idealisieren. Einige dieser
Denkmäler sind heute nicht mehr zu sehen, wie das Wissmann-Denkmal, das den
deutschen Kolonialpionier Hermann von Wissmann und einen schwarzen Askari
Soldaten in interwürfiger Pose zeigt. Es wurde 1909 in Daressalam (heute
Tansania) errichtet, nach dem Krieg dort demoniert und 1922 im Hamburg wieder
errichtet. 1968 wurde es von Studenten gestürzt und wird seitdem eingelagert.
Im Gegensatz zu großen baulichen Monumenten sind
Straßennamen, die an die deutschen Kolonien, Kolonialpioniere und krieger und
die Schlachtfelder der Kolonialkriege erinnern, verhältnismäßig unauffällige
,,Denkmäler‘‘. Dennoch sind sie immer wieder Inhalt hitziger Debatten -
,,koloniale‘‘ Straßennamen sorgten in den letzten Jahren beispielweise in
Berlin und München für intensiver Diskussionen. Die Benennung der
Von-Trotha-Straße in München, die ursprünglich dem Generalleutnant Lothar von
Trotha gewidmet war, der den Aufstand der Herero und Nama in Südwestafrika
brutal niedergeschlagen hatte, ist seit 1993 umstritten. Die im Jahr 2005
beschlossene Unwidmung in Herero-Straße wurde von einem noch immer andauernden
Streit zwischen Gegnern und Befürwortern dieser Maßnahme begleitet. Ähnlich
verhielt es sich bei der Unwidmung der Berliner Petersallee, die 1939 nach dem
für seine Brutalität gegenüber der afrikanischen Bevölkerung berüchtigten
deutschen Kolonialpionier Dr. Carl Peters (1856-1918) benannt wurde. Nach
heftigem Streit um die Umwidmung der Straße ist die Straße nun dem Gedenken an
den Frühren Berliner Stadtverordneten Prof. Dr. Hans Peters gewidmet.
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Straßenschild der ,,umgedeuteten'' Petersallee in Berlin |
,,Erinnerungsorte‘‘ und Denkmäler des Imperialismus – sowohl
im engeren als auch im weiteren Wortsinn des Denkmals – finden sich heute noch
in vielen Städten Deutschlands. Beim Auffinden hilft neben etwas Spürsinn und
einem Stadtplan auch das örtliche Stadtarchiv – ist das Denkmal nich mehr
existent oder gab es lediglich Planungen, finden sich Spuren davon häufig im
Stadtarchiv oder in den Archiven der Lokalzeitung. Einen umfangreichen Katalog
über eine Veilzahl von Kolonialdenkmälern hat z.B auch her Historiker Joachim
Zeller in seinem Buch ,,Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewusstsein‘‘
(Frankfurt, 2000) zusammengestellt.
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